Rahmlow: Wir wollen Sie auch noch fragen zum Kulturgutschutzgesetz, Herr Baselitz. Als es am Anfang darum ging, das sogenannte nationale Kulturgut zu schützen und zentrale Werke zu kennzeichnen, damit deutsche Kunst nicht mehr so leicht ausgeführt werden kann, da waren Sie sehr kritisch, Sie haben einige Ihrer Werke aus Museen abgezogen.
Jetzt gibt es eine Novelle dieses Gesetzes, und Werke von zeitgenössischen Künstlern, die können nur noch mit deren Zustimmung als national wertvoll eingetragen werden, das heißt nur Gemälde, die älter als 75 Jahre sind und mehr als 300.000 Euro kosten. Diese Novellierung, macht die Sie ein bisschen zufriedener, was dieses Gesetz angeht?
Baselitz: Überhaupt nicht, weil das Gesetz betreffend schon in den Vorgesprächen, die stattgefunden haben, vor allen Dingen in den vielen Kommentaren, die in den Medien erschienen sind, wird unglaublich gelogen. Gelogen, dass sich die Balken biegen, und zwar gelogen nicht von denen, die es letztlich betrifft, sondern von denen, die es veranstalten oder sie dieses Gesetz unbedingt verabschiedet haben wollten und was ihnen jetzt gelungen ist. Man zitiert meist nur einen Teil von dem ganzen Elend, was dieses Gesetz beinhaltet.
Rahmlow: Sehen Sie wenigstens, dass die Intention gut wäre, oder würden Sie sagen, das ist nicht mal eine gute Intention?
Baselitz: Man sagt immer, das sei europäisch nötig gewesen und längst nötig gewesen, dass auch wir … Das stimmt alles nicht, das sind Lügen. Alle anderen Länder in unserer Gemeinschaft – England und Frankreich, die haben ein ähnliches Gesetz, aber eben nur ein ähnliches Gesetz und nicht mit diesen Folgen, die in Deutschland für dieses Gesetz entstehen, denn im Hintergrund steht einfach die Enteignung von Kunst, von Kunst, die sich in Privatbesitz befindet, nicht der Schutz, sondern schlichtweg die Enteignung.
Quelle: Deutschlandradio Kultur Interview vom 27.6.2016 „Georg Baselitz zum Kulturgutschutzgesetz“ weiterlesen