Jannis Kounellis – Du wirst uns fehlen!

Wir verneigen uns vor einem der größten Bildhauer unserer Zeit. Häufig gewaltig, monströs und brachial, aber immer auch intelligent, sensibel und vielschichtig. Auch wenn Arte Povera nicht zu den am einfachsten zu vermittelnden Kunstrichtungen der Gegenwart zählt, ist Kounellis Werk immer ganz dicht bei den Menschen. Man braucht ihn nämlich nicht zu verstehen, man kann ihn fühlen. In der Skulptur war er ein Geschichtenerzähler und Poet. Am Donnerstag ging der große Mann der Armen Kunst im Alter von 80 Jahren in Rom voraus – sein Werk bleibt.

ARCHIV - Der griechische Künstler Jannis Kounellis steht am 30.10.2009 vor einem seiner Werke in der Ausstellung in Santander in Spanien. Er ist in seiner Wahlheimat Italien gestorben. (zu dpa Griechischer «Arte povera»-Künstler Kounellis ist tot vom 17.02.2017) Foto: Esteban Cobo/epa efe/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
ARCHIV – Der griechische Künstler Jannis Kounellis steht am 30.10.2009 vor einem seiner Werke in der Ausstellung in Santander in Spanien. Er ist in seiner Wahlheimat Italien gestorben. (zu dpa Griechischer «Arte povera»-Künstler Kounellis ist tot vom 17.02.2017) Foto: Esteban Cobo/epa efe/dpa +++(c) dpa – Bildfunk+++

Buntstift-Phantomas im Großstadtjungel

Eine Serie von sehr ausdrucksstarken und zeitgemäßen Arbeiten eines wohl jungen Zeichner-Phantoms zieht dieser Tage den Fokus der Kunstmarkt-Talentscouts auf sich. Wer ist der Künstler, der diesem charakteristisch ikonographisch stilisierten Korpus seines Zentralwesens so kraftvoll zur Erdung verhilft? Sein akzentuiert eingesetzter naiver Duktus unterstreicht die hilflose Verlorenheit seiner nur auf den ersten Blick bedrohlich animalisch wirkenden Chimäre in der Kälte und Leere unserer übermedialisierten Gesellschaft. Diese wird auch bewusst gestalterisch durch die Wahl klassischen Papiers als Bildträger sowie konventioneller Buntstifte bei der parallelen Verlorenheit in der Fläche unterstrichen.

Braunwesen, Buntstift auf gestauchtem Papier, 29,5 x 21 cm. Rückseitig Fingerabdruck-Signatur
Braunwesen, Buntstift auf gestauchtem Papier, 29,5 x 21 cm. Rückseitig Fingerabdruck-Signatur

Meisterlich ist dabei der Goldene Schnitt im Zentral-Gewölbe zwischen den säulenartig angeordneten Beinpaaren hervorzuheben. Einen weiteren deutlichen Hinweis zur Kritik an der Entfremdung der Menschen zu ihrer intuitiven Verbundenheit mit Erde und Natur findet der Betrachter in dem deutlich ausgeprägten rechten Hinterbein des zweifelsfrei als Alter Ego seines Erschaffers zu interpretierenden Braungeschöpfs. Die im Kopfbereich klar erkennbare Einbeziehung der aktuell emotional geführten Burkini-Verbotsdiskussion in westeuropäischen Staaten zeigt zudem in bestechender Leichtigkeit die Fähigkeit dieses jungen Künstlers zur eigenen Positionsbestimmung und Persiflage dieser Scheindiskussion mit den Waffen des Ateliers. Szenekenner identifizieren den Buntstift-Phantomas am Strich und werden auch auf den nächsten Benefiz-Auktionen und Kunstmarkt-Happenings nach ihm Ausschau halten und auf fette Beute hoffen. Sammler-Spekulationen über eine Pseudonym-Veröffentlichung des 1963 geborenen Münchners Andy Hope 1930 (Anm. d. Red. eigentlich Andreas Hofer) gelten zwischenzeitlich als widerlegt. Dennoch wurden erste in den Markt gelangte Werke von rasanten Preisentwicklungen begleitet. Ergo: Augen aufhalten nach Braunwesen und weiter viel Erfolg bei der Jagd!

Jeder Mensch ist ein Sonnenkönig.

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Anlässlich des heutigen 30. Todestages von Joseph Beuys hiermit einige meiner persönlichen Lieblingszitate des Meisters:

‚Ich bin ein Sender ich strahle aus‘ (1964)

‚Ob Werbung Kunst ist, hängt davon ab, wovon sie wirbt.‘

‚Wer nicht denken will fliegt raus (sich selbst)‘ (1977)

‚Mit dummen Fragen fängt jede Revolution an‘

‚Jeder Mensch ist ein Sonnenkönig‘

‚Nein ich fühle mich nicht als Erlöser, aber ich möchte auf die Möglichkeit des Menschen aufmerksam machen, dass er sich jeweils selbst erlösen kann.‘ (1984)

‚Das Kunstwerk ist das allergrößte Rätsel, aber der Mensch ist die Lösung‘

‚La Rivoluzione siamo Noi‘ – ‚Die Revolution sind wir‘

‚Der Tod – ein neues Leben für das Denken‘

‚Kunst ist wenn man trotzdem lacht‘ (1979)

‚Ich bin interessiert an der Verbreitung von physischen Vehikeln in Form von Editionen, weil ich an der Verbreitung von Ideen interessiert bin‘

‚Durch das Leiden wird die Welt real mit christlicher Substanz erfüllt.‘

‚Kunst ist Geheimnisverrat‘

‚Das wo gegenwärtig die Entfremdung zwischen den Menschen sitzt, man könnte fast sagen als eine Art Kälteplastik, da muß eben die Wärmeplastik hinein. Das ist die Liebe.‘ (1975)

‚Plastik ist ein evolutionärer Prozeß. Jeder Mensch ist ein Künstler‘ (1979)

‚Mein ganzes Leben war Werbung, aber man sollte sich einmal dafür interessieren, wofür ich geworben habe.‘ (1981)

‚Die Zeichnung ist Verlängerung des Gedankens‘ (1977)

‚Die Welt ist voller Rätsel, aber auf diese Rätsel ist der Mensch die Antwort.‘

‚Der Fehler beginnt, wenn einer sich anschickt Leinwand und Farbe zu kaufen.‘

‚Hiermit trete ich aus der Kunst aus‘ (1985)

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Kulturschutzgesetz: Gut gemeint ungleich gut gemacht.

Seine Leihgaben an das Dresdner Albertinum hat der Künstler Georg Baselitz wegen des Kulturgutschutzgesetzes wieder zurückgezogen. | © Oliver Killig/dpa
Seine Leihgaben an das Dresdner Albertinum hat der Künstler Georg Baselitz wegen des Kulturgutschutzgesetzes wieder zurückgezogen. | © Oliver Killig/dpa

Gut gemeint ist nicht immer auch gut gemacht. Das Kulturschutzgesetz klingt nicht nur verkorkst, es ist es auch. Ich liebe es, Beuys, Lüpertz, Baselitz, Richter, Polke, Immendorff genau wie Liebermann, Heckl, Nolde, Corinth oder Schmidt-Rottluff im Guggenheim, der Tate oder dem Prado zu sehen. Das ist doch wie gute Freunde in der Ferne treffen. Wer könnte zudem neben unserer Nationalelf ein besserer Botschafter für Deutschland in der Welt sein als diese Herren? Ebensogut hätte ich natürlich auch Paula Modersohn-Becker, Eva Hesse oder Hanne Darboven nennen können. Was ich damit sagen will: Deutschland ist nicht nur Export-Weltmeister sondern auch Weltmeister in der Kunst und alle wollen uns! In der aktuellen 2015er ‚Weltrangliste‘ dem Kunstkompass sind wieder 29 Deutsche Maler, Fotografen und Bildhauer geführt. Keine andere Nation ist mit so vielen Künstlern vertreten! Gerhard Richter führt diese Liste auch deshalb an, weil sein Zyklus ’18. Oktober 1977′ im MoMa hängt, auch wenn mancher ihn vielleicht lieber in Berlin sähe. Georg Baselitz hat es (sich) ganz einfach gemacht. Einfach gut. Er hat ein Zeichen gesetzt, das für Kulturstaatsministerin Monika Grütters eine klare Ansage ist, indem er schlicht seine Leihgaben aus dem Dresdner Albertinum sowie allen anderen deutschen Museen zurückgezogen hat. Vielleicht auch deshalb, weil er am Beispiel des Werkes ‚Porträt Elke 1‘ aus dem Jahr 1969 nur noch vier Jahre Zeit hätte, dies ohne Sondergenehmigung der Bundesregierung frei zu handeln. Ein 50 Jahre alter ‚Neuer Typ‘ aus dem Zyklus seiner Heldenbilder fiele bereits heute unter das Handelsverbot.

Ein Sammler andererseits, der mit einer gut strukturierten Arbeit in vielen Fällen einen erheblichen Anteil an der Image- und Wertentwicklung eines Künstlers hat, würde mit dem Kulturschutzgesetz für seine konsequente Sammlungsführung abgestraft und übervorteilt werden. Eine der zahlreichen, schädlichen Folgen wäre, dass gut strukturierte und museal geführte Sammlungen frühzeitig das Weite suchen würden und somit eine gefährliche Abwanderung jüngerer Werke mit hohem Potential die Folge wäre. Die Devise eines Sammlers, der sich selber auch als ordentlicher Kaufmann noch im Spiegel betrachten können möchte, wäre also, alle Kunstgegenstände noch vor dem Erreichen des jeweils 50. Geburtstags und des Durchbrechens der 150.000 EUR Wertmarke außer Landes zu schaffen. Tschüß Kippenberger, tschüß Piene, tschüß Walther… Und seien wir mal ehrlich: Das Pergamon oder das Bode-Museum in Berlin würden doch auch eine ziemlich jämmerliche Show abliefern, wenn alle Nationen dies in der Vergangenheit so gehandhabt hätten, wie der Gesetz-Entwurf es vorsieht. Fazit: Kunst verträgt kein Auswanderungsverbot!