In direkter Folge auf die Sotheby’s Auktion legt Christies am 12. und 13. Februar nach. Auch hier besticht die hohe Qualität nicht nur im Evening Sale. Ein Kanu von Peter Doig, ein weißer 5-Schlitz Fontana, gleich ein ganzer Strauß von Mobiles und Leinwandarbeiten Alexander Calders und allem voran sicherlich zwei Lucian Freud Werke. ‚Head of Esther‘ ist die stärkere davon und ziert somit zurecht den Titel des Katalogs. Eine Arbeit die in Freudscher Manier von 1982-1983 in wahrscheinlich über 50 Sitzungen entstand und dem Betrachter vor Präsenz, Anmut und Schönheit schier den Atem verschlägt. Ein Meisterwerk für das selbst der millionenschwere Schätzpreis noch zu günstig wirken muss. (letztes Bild). But back to Germany. Das Who is Who der deutschen Maler ist vertreten. Somit also auch Zero: Uecker, Piene, Mack haben jeweils eine außerordentlich schöne Arbeit vorzuweisen. ‚Poetische Reihe (Sylt)‘ hat nicht nur einen tollen Titel sondern ist in der Tat genagelte Poesie. Das sahen die Londoner wohl auch so und schätzten diese nur 44 x 44 cm große Arbeit mit 200-300′ GBP. Für eine 1976er Arbeit dieses Formats extrem sportlich! Deutlich besser angelegt wären dann wohl die 50-70′ GBP für Pienes Sonnenaufgang aus der Zero-Zeit (1962). Ein herzerwärmendes Stück! Wer hingegen bei der bemerkenswerten Rakel-Arbeit von Heinz Mack aus 1957 (!) zum Zuge kommen will, darf sich wohl keiner Illusion hingeben, dass diese aufgrund der hohen Schätzung und des kleinen Formats am unteren Rand bleiben wird. Hier sind die 100′ GBP für dieses Kleinformat in 30 x 30 cm tatsächlich realistisch.
Bei Hanne Darboven geht es hingegen deutlich bodenständiger zu. Diese wunderbare Suite aus insgesamt 25 Blättern ist im Vergleich zu konzeptionellen Arbeiten dieser Zeit weiterhin sehr günstig eingeschätzt.
Bei dieser Beuys-Tafel ist alles drin! Die letzte vergleichbare Arbeit wurde in ähnlicher Größenordnung vor 5 Jahren angeboten. Seither hat sich der Markt bei Beuys massiv verändert. Tafeln stehen wie kein anderes Medium für den späten lehrenden Schamanen und sind die Ausdrucksform, in der er auch in den 70er Jahren noch gelegentlich die zeichnerischen Genialität seines Frühwerks aufzeigt. Auch wenn es hier noch deutlich stärkere Beispiele gibt, sind diese idR in Blocks zusammengestellt oder in institutionellen Sammlungen gebunden. Eine seltene Gelegenheit also, die genauso gut die halbe Million, wie auch die Millionen-Hürde nehmen kann.
Der hohe Schätzpreis geht auf einen Zuschlag von 35.000 USD bei Christies für eine Arbeit der gleichen 1986er Serie im November vergangenen Jahres zurück. Eine Arbeit, die im Kontext noch mehr Spaß machte.
Auch wenn diese kleine Arbeit nicht mit dem auf 14-20 Millionen GBP geschätzten abstrakten Großformat bei Sotheby’s vergleichbar ist, so fiele es mir doch nicht schwer, mich für dieses typische Frühwerk des Köllners zu entscheiden. Im Vergleich zur Folgeposition aus 1993, die in einer Auflage von 115 gerakelten blau-grün-roten Unikaten für das Parkett-Magazin entstanden ist, ein echtes kunsthistorisches Statement. Hierbei lohnt es, sich vor Augen zu führen, dass die Kleine Sekretärin ‚lediglich‘ dreifach so hoch taxiert wird, wie das Multiple.
Sollte mir hierzu noch etwas freundlicheres als bei der Beurteilung des Schwester-Gemäldes aus 1999 beim Londoner Mitbewerber einfallen, drücke ich sofort ‚bearbeiten‘ und füge es an. Versprochen!
Eine Zeichnung von Beuys die für das Jahr 1973 in Ordnung ist und auf der offensichtlich auch ‚jede Menge los ist‘. Zudem mit unzweifelhafter Provenienz und Abbildung in Lucio Amelios Neapel-Band ‚Tracce in Italia‘. Bemerkenswert ist die englische Bezeichnung ‚Corner‘ in der zentralen Raumanordnung in Verbindung mit der Ortsbezeichnung ‚Berlin 1973‘. Die Raumanordnung die auf ein (Fluxus)-Happening hinweisen könnte, entstand möglicherweise im Zusammenhang mit denen in dieser Zeit in Vorbereitung befindlichen Lecture-Reisen mit Carol Tisdall nach Irland. Nicht klar erkennbar wird bei dieser Arbeit, ob es sich um eine tatsächliche Studie zu einem Happening oder einer freien Zeichnung mit Verweischarakter auf eine frühere Aktion handelt. Eine Bezugnahme auf ‚Manresa‘ (siehe Folgebild) aus 1966 legt sowohl die dominante ‚Ecke‘, als auch das oberhalb des Raumes befindliche geteilte (Kreide-) Kreuz nahe. Dieser Zwitter-Charakter nimmt ihr etwas von ihrem Charme und lässt daher die Bewertung mit 15-20′ GBP als eher hoch erscheinen.
In Verbindung mit dem Helden bei Sotheby’s könnte hier ein kleiner Block von drei wunderbaren charakteristischen Zeichnungen aus dem Frühwerk Georg Baselitz‘ entstehen. Wenn man versuchte ähnliche kunsthistorische Relevanz bei Richter für unter einer Million Euro zusammen zu tragen, wäre das wohl kaum möglich.
Noch einmal Baselitz. Hier im Preiseinstiegs-Bereich aus Auktionshaus-Perspektive. Außerordentlich ist bei diesem Linoldruck aus 1985 das Großformat von 195 x 150 cm. Die großformatigen Schnitte von Baselitz sind ausnahmslos exzellent umgesetzt und verfügen über eine bemerkenswerte Präsenz.
Zwei starke Kippenberger in unterschiedlichen Preisklassen. ‚Fenster‘ scheint mir aufgrund der Themenfülle preislich unterbewertet. Ein Werkzusammenhang zu der ebenfalls aus 1990 stammenden Arbeit ‚Was ist der Unterschied zwischen Casanova und Jesus? Der Gesichtausdruck beim Nageln‘ liegt auf der Hand. (siehe Folgebild)