Charmefreie Gerhard Richter Edition

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Würden Sie diese Dame wirklich in Ihr Wohnzimmer bitten?

Richter sells. Aber rechtfertigt der Name wirklich jedes Sujet und alle Preise oder gibt es auch charmfreie Editionen des Großmeisters? Ja, auch das geht. Nach der wunderbaren Edition ‚Grau‘ für den Museumsverein Mönchengladbach in bemerkenswert kleiner 50er Auflage hat es Texte zur Kunst nicht wirklich gut getroffen. Die sonst so stillsicheren Verleger attraktiver Insider-Magazine und zumeist wunderbarer Editionen liegen dieses Mal leider total daneben.

Gerhard Richter, Grauer Spiegel (Reminiszenz), 2015 Foto: Gerhard Richter - Edition für den Museumsverein Mönchengladbach, Preis 5 TEUR, Auflage 50 Expl.
Spektakulär hingegen: Grauer Spiegel (Reminiszenz), 2015
Foto: Gerhard Richter – Edition für den Museumsverein Mönchengladbach, Preis 5 TEUR, Auflage 50 Expl.

Der Pigmentdruck auf 308 g/m² Photorag auf Alu-Dibond, Blattgröße: 51 × 50 cm hat nur eine Netto-Bildgröße von 33 × 36 cm, in einer Auflage von 120 + 15 A.P. und ist rückseitig nummeriert und signiert. Der Preis beträgt stolze € 5800,–. Abgesehen davon, dass zu diesem Kurs deutlich attraktivere ältere Editionen im Handel und auf Auktionen den Besitzer wechseln, stellt sich sicherlich neben mir auch dem einen oder anderen eingefleischten Richter-Fan die Frage, warum man das heimische Wohnzimmer künftig gerade mit dieser Dame teilen sollte. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Photographin Inge-Maria Peters, die das Bild 1966 für eine Reportage über die spätere RAF-Terroristin aufnahm, die Edition mitsigniert. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Genau genommen gilt auch hier die alte Kunstmarkt-Devise Künstlerkooperationen als Anlageobjekte zu meiden. Insbesondere bei großer Diskrepanz in der Popularität der beiden Urheber. Der Zyklus ’18. Oktober 1977′ lebt aus dem Kontext seiner 15 Werke. Richter ist mit diesem Schlüsselwerk der deutschen Nachkriegskunst eine bemerkenswert distanzierte und zugleich unkritische künstlerische Situationsanalyse einer Bundesrepublik im Ausnahmezustand gelungen, ohne zu beurteilen,  beschuldigen oder glorifizieren. Dieses wertvolle Kunststück schafft ‚Ulrike Meinhof‘ (2015) nicht.

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