Die traditionelle Benefiz-Auktion der Hamburger Kulturstiftung verlief mit wenigen Ausreißern angenehm überraschungsfrei und sorgte somit für eine überwiegende Zuschlagdichte nahe den für die Veranstalter sicherlich zufriedenstellenden Tax-Preisen. Dafür verantwortlich war sicherlich der gute Mix zwischen spannenden jungen Positionen wie Katja Aufleger oder Gerrit Frohne-Brinkmann mit ebenfalls starken Losen etablierter Künstler wie Andreas Slominski oder Henrik Eiben. Der beeindruckend polyglotte und gejetlagte Auktionator Dr. Philipp Herzog von Württemberg von Sotheby`s hatte zwar offensichtlich beim Weg zum Pult einen angelsächsischen Bekannten im Auditorium entdeckt, so dass er seine Texte hälftig in diesem Idiom zum Besten gab, aber glücklicherweise sind die Hanseaten traditionell sprachgewandt genug, dass auch diese Hürde keine Abschläge auf die Zuschläge verursachte. Auffallend günstig und fern des Schätzpreises von 9 TEUR wurde mit 3 TEUR ausgerechnet eine Diptychon Frottage von Matt Mullican auf Leinwand im schönen Format von je 50 x 60 cm zugeschlagen. Auch bei diesem Los bleibt nur dem Besonnenen, der hier gerade die Hand oben hatte, als das Hämmerchen fiel zu gratulieren.
Deutsche in London Part I: Sotheby’s
Was machte der Londoner Auktionsstandort wohl ohne unsere Unterstützung. Weder alle Künstler noch alle Werke aus deutschen Ateliers habe ich hier aufgeführt, jedoch einiges bemerkenswertes sowie natürlich die deutschen Höhepunkte des Evening Sales bei Sotheby’s am 10. sowie des Day Sale am 11. Februar. Recht sexy (aber sonst nicht viel mehr) dieses Mal der Preiseinstieg bei Martin Eders ‚Girl I & II‘ für 3-5 TGBP. Qualität vor Quantität gilt ungewöhnlicherweise hier bei Joseph Beuys. Seine Tagebucheinträge März bis Dezember 1974 wären als Fehlstelle in einer gut sortierten Beuys-Sammlung sicherlich erträglich. Ebenso bedauerlich ist es, dass mit Moving Figure abermals kein wirklich starker A. R. Penck zum Aufruf kommt. Da nützt auch der günstige Schätzpreis von 12-15 GBP wenig. Isa Genzkens Doppelraum dürfte allerdings Potential haben, auch die obere Taxe deutlich zu durchbrechen, da ja die größeren unikatären Reihen Ihrer Weltempfänger zuletzt bereits fast in den dreistelligen Bereich hoch schossen. Nicht besonders günstig ist dann mit 180-220′ GBP die Schätzung bei Günther Förg angesetzt. Fairerweise muss man allerdings sagen, dass es wohl auch nahezu aussichtslos wäre auf ein noch schöneres Bleibild des 2013 verstorbenen Künstlers zu warten. Obgleich auch die vertikale Bleiarbeit mit etwas geringerer Schätzung bei Christies nicht unattraktiv ist. Gleiches gilt für Georg Baselitz’s Frakturbild ‚Neuer Typ‘ von 1966. Diese Zeichnung ist ein echtes Traumstück und so sonst außerhalb des institutionellen Rahmens nur in Sammlungen wir bei Thomas Olbricht zu finden. Spannenderweise gibt es auch hier zwei korrespondierende Stücke die am Folgetag beim Wettbewerb unter den Hammer kommen. Die Preisdifferenz zu einem (selten zu findenden) relativ schwachen und wohl auch nicht in bester Farberhaltung befindlichen Adler von 1977 kann also als nachvollziehbar angesehen werden. Ein gewohnt langweiliger Rauch, bei dem die Klavierlehrerin es nicht schafft uns Betrachter mit dem stilettgleichen Taktstock aus der Banalität zu erlösen, dürfte bei dieser Schätzung ebenso einen Sammler finden, zu dessen Wohnzimmerstoffen die heitere Farbkombination passt. Praktisch auch: Rauch versteht es sein gestresstes Manager-Klientel, dass sich nun wirklich nicht ständig um Bildzusammenhänge und -Titel kümmern kann mit Sprechblasen und piktogrammartiger Symbolik das Entre-Geplänkel für die nächste Dinner-Party gleich mitzuliefern. Ich tippe also auf das obere Ende der Schätzung. Das gute Kunst und echter Humor sich nicht ausschließen müssen beweist hingegen wieder einmal Sigmar Polke mit seinem wunderbaren Multiple APPARAT, MIT DEM EINE KARTOFFEL EINE ANDERE UMKREISEN KANN. Ein wunderbares Stück, dass in keiner großen Polke Sammlung oder Ausstellung fehlen darf. Die obere Grenze definiert wenig überraschend die Weltrangelisten Nummer 1 Gerhard Richter mit ‚Abstraktes Bild 725-4‘ aus 1990. Schätzpreis 14-20 Mio. GBP.
Weihnachtsauktionen: Schätze im Verborgenen!
Die Auktionen laufen wieder und vielfach verliert sich der Blick im Überangebot der Kataloge. Aber neben Christies, Sotheby’s, Phillips oder den deutschen Häusern Villa Grisebach, Van Ham, Lempertz oder Ketterer lohnt auch immer wieder das intensive Studium der kleineren Häuser. Aber auch regionale Besonderheiten spielen bei der Preisentwicklung im Auktionssaal eine Rolle. Trotz Internet und vermeintlicher Transparenz ist die Chance auf ein günstiges Seestück von Johannes Holst in München häufig größer als in Hamburg. Exemplarisch hierfür stehen die 3 starken Werke des begehrten Marinemalers, die bei Ketterer in München diese Woche deutlich unter Wert liefen. Spannend zu sehen sein wird, ob es dem As der Münchner Schule Edward Harrison Compton mit seinem Alpenpanorama beim Hamburger Auktionshaus Stahl ähnlich ergehen wird. Apropos Stahl: Mit 17 TEUR kommt hier ebenfalls eine bedeutende pointillistische Arbeit Ivo Hauptmanns aus dem Besitz der Familie des Künstlers zum Aufruf, wie man sie sicherlich nur äußerst selten im Markt finden dürfte. Der Einfluss und Kontakt zu Paul Signac bei Haupmanns Paris-Reisen ist hier deutlich sichtbar und nicht nur Sujet sondern auch der bezeichnende Titel ‚Sonnenuntergang über der Elbe‘ lassen die Herzen von Impressionisten-Freunden und norddeutschen Kunst-Sammlern gleichermaßen höher schlagen. Ebenso herausragend und bedeutungsvoll ist die unter der Losnummer 475 dokumentierte unikatäre Art Deco Messing-Schale Henry Van de Veldes, die interessanterweise ebenfalls aus dem Privatbesitz der Familie Hauptmann stammt.
Ähnlich spannend zu beobachten war am Montag die Entwicklung zweier zeitgenössischer deutscher Außenseiter-Positionen im eher lokal verwurzelten Züricher Auktionshaus Germann, dass in seinem Programm auch entsprechend klare thematische Akzente setzt. Zum Aufruf kam hier zum einen ein kleiner Imi Knoebel in Acryl auf Aluminiumplatten, der zur unteren Taxe und somit deutlich unter der Hälfte des Marktwertes bei 3200 CHF zugeschlagen wurde, zum anderen die meisterliche und viel gereiste und dokumentierte großformatige Arbeit A. R. Penck’s ‚Roter Mann mit Adler‘, die in Relation zu ihrer Bedeutung mit 50 TCHF zum Bruchteil eines denkbaren erzielbaren Ergebnisses in adäquatem internationalem Umfeld zugeschlagen wurde.
Gleiches gilt für eine der regelmäßig im Markt laufenden Zeichnungen Keith Harings auf dem pinken Grund des Ausstellungskatalogs von Tony Shafrazi aus dem Jahr 1982. Je nach Ausführung erzielen die Stücke selbst mit einer preismindernden Widmung in der Regel je nach Motiv und Aufwendigkeit zwischen 11 und 16 TEUR. Das Auktionshaus Doyle erteilte am 17. November bereits bei knapp über 8 TEUR inkl. Aufgeld den Zuschlag.
Beuys‘ Capri-Batterie: Überhitzt oder sichere Bank?
Nach allem, was man über den Kunstmarkt und insbesondere über Editionen gelernt hat, sollte man von Auflagen oberhalb von 100 Exemplaren eher Abstand nehmen. ‚Kaufhauskunst‘ sagen böse Zungen zu derart inflationären Multiples und Graphiken, bei denen die Dalís und Hundertwassers dieser Welt ganz weit vorne liegen. Wie aber sieht es mit der Capri-Batterie aus?
Sie zählt zu den kanonistischen Werken der Multiples und ist eine regelrechte Ikone. Viele empfinden Sie als Quintessenz des späten Beuys-Werks. Nicht zu Unrecht. Diese wunderbare Arbeit, deren Verpackung die Aufschrift ‚Nach tausend Stunden Batterie wechseln‘ trägt, enthält alles, was ein starkes Spätwerk ausmacht. Leichtigkeit, Humor, einen Tick Selbstironie und dennoch können Sie bei Bedarf sofort in die Tiefe gehen und den ganzen Beuys daran auffächern. Wie aber sieht es mit den Preisen aus? „Beuys‘ Capri-Batterie: Überhitzt oder sichere Bank?“ weiterlesen