Sie ist der Gradmesser der Kunstszene, die Tefaf in Maastricht. So klein das niederländische Städtchen auch sein mag, hier gilt nur die allerhöchste Qualität. In einer Branche in der nach ‚Art Price Report‘ Angaben derzeit 42 Milliarden Euro umgesetzt werden, hängt die Latte somit für diesen Anspruch extrem hoch. Dennoch: auf der Tefaf wird er erfüllt. Ob Gemälde, Skulpturen, Design, Schmuck, Antiken oder bibliographile Werke, jedes Exponat ist ein Meisterwerk. Die Stimmung war, wie auch in den Vorjahren, positiv und entspannt, denn auf dieser Messe wird nicht nur Besonderes gezeigt, sondern auch verkauft. Für die Altmeister bis zur Moderne gilt gleichermaßen die Formel, die für Immobilienfreunde ‚Lage, Lage, Lage‘ lautet, hier übersetzt mit ‚Die besten Künstler und von denen die besten Bilder‘. Brueghel, Cranach, Rodin, Van Gogh, Picasso, Chagall, Dali, Magritte, Beuys, Bacon, Basquiat, Warhol, Haring. Das Ganze bitte auf Leinwand oder gerne auch als Bronze. So kann man die Marke erreichen, die sonst nur auf dem Parkett der ganz großen Auktionen erzielt wird – zweistellige Millionen-Erlöse, wie es in 2016 immerhin über 80 Werken bei Sotheby’s, Christies, Phillips und Co gelang. Ein Besuch also lohnt in jedem Fall, auch wenn man für den Eintrittspreis von 100 EUR bereits bei dem einen oder anderen Museum ein Jahres-Billet inklusive lobender Erwähnung gelöst bekommt. Dafür stimmt dann aber auch die Atmosphäre. Fast jeder Stand stellt eine eindrucksvolle Inszenierung dar und die allermeisten Werke zeigen sich somit dann für den anvisierten Eigentümerwechsel von ihrer besten Seite. Eine kleine Auswahl hierzu folgt hiernach.
Stark und selten: Haring Zeichnung
Eine wunderbare vollwertige Arbeit von Keith Haring ist in diesem Format mittlerweile außerordentlich selten im Markt. Noch interessanter wird das Werk durch die Marktfrische und die exzellente Provenienz der Documenta VII, 1982 in Kassel. Die Chance das sogar unterhalb der Taxe von 100 – 150 TEUR zugeschlagen wird besteht durchaus, da der Auktionsstandort Amsterdam zuletzt auch bei den großen Häusern geschwächelt hat. Zudem steht der bereits vor über einem viertel Jahrhundert verstorbene Amerikaner hier nicht gerade im Fokus. Eine echte Chance!
Blick hinter die Kulissen
Viele öffentliche Museen bieten auf Nachfrage immer wieder die Chance, einen Blick hinter die Kulissen, nämlich in die Magazine zu erhaschen. Zumeist gibt es beeindruckendes zu entdecken, sowohl qualitativ, als auch quantitativ. Ein wunderbares Beispiel ist das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, dass unter anderem die größte internationale Sammlung zur Plakatkunst beherbergt. So sind hier zum Beispiel die Künstlerplakate von Keith Haring, Andy Warhol, Roy Lichtenstein oder auch Joseph Beuys komplett vorhanden. Einhergehende Ausstellungen nach entsprechenden Schenkungen dieser Werkblöcke durch einen dem Haus eng verbundenen Hamburger Sammlers wurden jeweils von einem Katalog begleitet, der für Plakatsammler Werkverzeichnis-Charakter hat. Aber auch eine spektakuläre Sammlung von Jugendstil oder Bauhaus Plakaten können bewundert werden. Ein besonderes Highlight ist der Originalentwurf Henri Toulouse Lautrecs für das Moulin Rouge. Wie der Leiter der graphischen Sammlung Dr. Jürgen Döring verrät handelt es sich dabei um eines von wohl nur drei erhaltenen Exemplaren dieses berühmten Plakatentwurfs.
Weihnachtsauktionen: Schätze im Verborgenen!
Die Auktionen laufen wieder und vielfach verliert sich der Blick im Überangebot der Kataloge. Aber neben Christies, Sotheby’s, Phillips oder den deutschen Häusern Villa Grisebach, Van Ham, Lempertz oder Ketterer lohnt auch immer wieder das intensive Studium der kleineren Häuser. Aber auch regionale Besonderheiten spielen bei der Preisentwicklung im Auktionssaal eine Rolle. Trotz Internet und vermeintlicher Transparenz ist die Chance auf ein günstiges Seestück von Johannes Holst in München häufig größer als in Hamburg. Exemplarisch hierfür stehen die 3 starken Werke des begehrten Marinemalers, die bei Ketterer in München diese Woche deutlich unter Wert liefen. Spannend zu sehen sein wird, ob es dem As der Münchner Schule Edward Harrison Compton mit seinem Alpenpanorama beim Hamburger Auktionshaus Stahl ähnlich ergehen wird. Apropos Stahl: Mit 17 TEUR kommt hier ebenfalls eine bedeutende pointillistische Arbeit Ivo Hauptmanns aus dem Besitz der Familie des Künstlers zum Aufruf, wie man sie sicherlich nur äußerst selten im Markt finden dürfte. Der Einfluss und Kontakt zu Paul Signac bei Haupmanns Paris-Reisen ist hier deutlich sichtbar und nicht nur Sujet sondern auch der bezeichnende Titel ‚Sonnenuntergang über der Elbe‘ lassen die Herzen von Impressionisten-Freunden und norddeutschen Kunst-Sammlern gleichermaßen höher schlagen. Ebenso herausragend und bedeutungsvoll ist die unter der Losnummer 475 dokumentierte unikatäre Art Deco Messing-Schale Henry Van de Veldes, die interessanterweise ebenfalls aus dem Privatbesitz der Familie Hauptmann stammt.
Ähnlich spannend zu beobachten war am Montag die Entwicklung zweier zeitgenössischer deutscher Außenseiter-Positionen im eher lokal verwurzelten Züricher Auktionshaus Germann, dass in seinem Programm auch entsprechend klare thematische Akzente setzt. Zum Aufruf kam hier zum einen ein kleiner Imi Knoebel in Acryl auf Aluminiumplatten, der zur unteren Taxe und somit deutlich unter der Hälfte des Marktwertes bei 3200 CHF zugeschlagen wurde, zum anderen die meisterliche und viel gereiste und dokumentierte großformatige Arbeit A. R. Penck’s ‚Roter Mann mit Adler‘, die in Relation zu ihrer Bedeutung mit 50 TCHF zum Bruchteil eines denkbaren erzielbaren Ergebnisses in adäquatem internationalem Umfeld zugeschlagen wurde.
Gleiches gilt für eine der regelmäßig im Markt laufenden Zeichnungen Keith Harings auf dem pinken Grund des Ausstellungskatalogs von Tony Shafrazi aus dem Jahr 1982. Je nach Ausführung erzielen die Stücke selbst mit einer preismindernden Widmung in der Regel je nach Motiv und Aufwendigkeit zwischen 11 und 16 TEUR. Das Auktionshaus Doyle erteilte am 17. November bereits bei knapp über 8 TEUR inkl. Aufgeld den Zuschlag.