Zu Gast im Atelier bei Ki Yoon Ko

Ki Yoon KO in seinem Atelier
Ki Yoon Ko in seinem Hamburgrt Atelier

Sie wuchsen in Südkorea auf, studierten in Richmond Malerei und Druckgrafik, hiernach zog es Sie nach New York; schließlich fanden Sie am Art Institute in San Francisco zur Malerei zurück, der Sie nun in Hamburg nachgehen. Man könnte fast meinen, Sie hätten stets den Zugang zum Meer gesucht?

Man kann sagen, dass ich unbewusst immer die Nähe zum Meer gesucht habe. In Korea wuchs ich direkt am Pazifischen Ozean auf. Soweit ich mich erinnern kann, verbrachten wir viele Sommertage am Meer. Auch später, in San Francisco, und heute in Hamburg fühle ich immer eine starke Verbundenheit zum Meer.

In Ihrem Atelier am Hamburger Fischmarkt sind Sie im Herzen der Stätte, die die Hamburger liebevoll als das ‚Tor zur Welt’ bezeichnen. Inspiriert das maritime Flair Ihre Kunst?

Der Hafen dient mir weniger zur Inspiration als vielmehr dazu, meinen Kopf von den alltäglichen Dingen zu befreien, oder um eine Pause von der Malerei zu machen.

Sie haben eine bemerkenswerte Technik geschaffen, von der Sie mir mal sagten, dass es Ihres Wissens nach keinen anderen Künstler gäbe, der so arbeite. Mögen Sie uns diese Arbeitsweise erläutern?

Ich verwende Graphitpulver, Wasser und einen Pinsel. Ich beginne meine Arbeit damit, das Pulver mit Wasser zu vermischen. Dann tauche ich den Pinsel in die Pulver-Mischung. Ohne die Leinwand zu berühren, streife ich mit meiner Fingerspitze über den harten Pinsel. Wenn sich die gebogenen Pinselhaare wieder aufrichten, spritzt eine kleine Menge des Graphitpulver auf die Leinwand. Mit meinen Fingern kann ich die Intensität kontrollieren. Durch das Übereinanderschichten des Puders auf der Leinwand entsteht dann meine Struktur.

Wenn ich das richtig verstehe, bedeutet das, dass Sie diese großformatigen Portraits – beispielsweise Ihrer bekannten Suzi-Serie – erschaffen, ohne dass der Pinsel oder irgendein anderes Malwerkzeug während des gesamten Prozesses auch nur ein einziges Mal die Leinwand berührt?

Ja.

Wie sind Sie auf dieses Verfahren gekommen?

Nachdem ich nach San Francisco gezogen bin, habe ich mir eine Auszeit von der Malerei genommen. Mir fehlte die Inspiration um weiter zu machen. Ich fühlte, dass meine Arbeiten genauso waren wie die aller anderen Künstler; ich konnte mich nicht in meinen Bildern wiederfinden. Bis ich am San Francisco Art Institute einen Kurs belegte, bei dem ich lernte, mich von meinem alten Malstil zu befreien. Meine damalige Professorin bestärkte mich darin, außerhalb der Norm zu experimentieren. Eines Tages drückte sie mir ein Glas Graphitpulver in die Hand, das ich mit Wasser verflüssigte. Ich fing an, mit harten Pinselgesten Linien auf die Leinwand aufzutragen. Mit der Zeit lernte ich, mit dem Pinsel die Schattierungen zu kontrollieren. Ich wusste seit dem ersten Pinselstrich, dass dies meine eigene Art des kreativen Ausdrucks ist.

Picasso malte von seiner Muse Sylvette im Frühjahr 1954 binnen drei Monaten über 50 Gemälde. Bei Ihrem arbeitsintensiven Schaffensprozess vermute ich, dass diese Zeit gerade einmal für ein Suzi-Portrait ausreichte. Über welchen Zeitraum ist die Serie entstanden und wie viele Werke dieser Reihe gibt es?

Ich habe zwischen 2003 bis 2012 achtzehn Suzi-Bilder gemalt.

Der Maler und seine Muse sind ein Thema, welches insbesondere die Nichtkünstler zu vielen Fragen inspiriert: Warum gerade sie? Wie kam das zustande? Gibt es eine Geschichte dazu? Und viele weitere Fragen, die man sich nicht zu fragen traut. Mögen Sie wenigstens eine beantworten?

Eine Bekannte aus Tokio war zu Besuch in Hamburg. An einem Dienstagabend haben wir zusammen eine Tour durch die Reeperbahn gemacht. Als wir so die Straße entlang liefen, fuhr Suzie auf einem Fahrrad an uns vorbei. Sie hörte uns wohl Englisch sprechen, hielt 10 Meter vor uns an und rief uns zu: „Do you like Reggae music?“ Wir haben sie erst gar nicht weiter beachtet, bis sie uns wieder dieselbe Frage entgegenrief. Wir riefen dann „Yes!“ zurück und sie sagte, wir sollten ihr folgen. In der Bar ihrer Freundin fingen wir dann an, uns zu unterhalten. Dabei stellte sich heraus, dass sie auch aus San Francisco kam und in Hamburg war, um ihren Freund zu besuchen. Sie ist selbst Künstlerin und Aktivistin. Je länger wir uns unterhielten, desto mehr war ich von ihr fasziniert. Ihre großartige, lebenslustige Ausstrahlung fand ich sehr inspirierend.

Abweichend von Ihrer spezifischen Technik haben Sie einen völlig neuen Werkzyklus geschaffen, den Sie sehr bescheiden mit ‚Experimental’ beschreiben. Was charakterisiert diese aktuellen Arbeiten?

Mit meinen neuen Arbeiten wollte ich mich nicht mehr so sehr auf ein Thema, einen Ausdruck fokussieren sondern durch die Verbindung von Farben, Formen und realistischen Elementen Geschichten visualisieren.

Da Sie sich diesem Werkkomplex in einer eher klassischen Malweise nähern, ist es kaum verwunderlich, dass diese hierbei einen völlig anderen Stil repräsentieren als Ihre Porträts. Zudem tauchen Sie auch noch in völlig neue Farbwelten ein. Was führte Sie zu dieser radikalen Wende?

Durch diese nicht mehr ganz so rationale und kontrollierte Arbeitsweise kann ich mich und meine Ideen deutlicher ausdrücken.

Die Arbeiten des ‚Experimental’-Zyklus sind überraschend farbgewaltig. Diese dominanten Kontraste werden von einer surrealen Motivik flankiert, die an Traumlandschaften erinnern. Was inspiriert Sie zu diesen Sujets?

Im Moment bin ich von Installationen und Skulpturen inspiriert. Sie animieren mich zum Nachdenken, darüber, was der Künstler mit ihnen ausdrücken will und darüber, was ich fühle, wenn ich mir diese Werke ansehe. Ich habe Skulpturen und Installationen schon immer gern angeschaut, aber mir nie genügend Zeit für sie genommen. Ich bin nun in einer Lebensphase, in welcher ich mir immer mehr die Frage nach dem „Warum?“ stelle und mich möglichst viel über ein Werk informieren möchte um eine Beziehung dazu aufzubauen. Ich mag den Gedanken, einmal selbst Skulpturen zu machen. Aber momentan will ich mich nur auf meine Gemälde beschränken, denn ich muss noch viel mehr über mich selbst lernen und darüber, was ich durch meine Bilder aussagen möchte.

Sie schaffen mit diesem Zyklus Bildwelten, die den meisten Schriftstellern vermutlich das Rüstzeug für einen ganzen Roman liefern können. Sie belassen es jedoch zumeist bei einem nüchternen ‚ohne Titel’. Warum?

Mir war es wichtig, dass die Person, die das Bild betrachtet,zu einer eigenen Schlussfolgerung kommt über das, was das Bild erzählt. Jeder Betrachter hat seine eigene Interpretation. Deshalb finde ich es besser, wenn nicht durch den Titel ein Teil der Geschichte vorweggenommen wird.

In 2009 hat es eine spannende Kooperation von Ihnen und Gabriel Dubois gegeben, im Rahmen derer spektakuläre großformatige Werke entstanden sind. War das eine einmalige Kooperation oder wird es weitere gemeinsame Arbeiten geben?

Wir hatten eigentlich immer vor, noch einmal miteinander zu arbeiten. Im Moment sieht es aber nicht danach aus. Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit noch einmal.

Diese Gemeinschaftswerke ziehen einen Großteil ihrer Kraft daraus, dass keiner von Ihnen beiden die Arbeit des anderen dominiert. Beide Künstler sind für den Betrachter sofort identifizierbar und verschmelzen dennoch geradezu symbiotisch miteinander. Warum stehen Ihre konträren Stile so gut im Einklang miteinander?

Wir haben gleichzeitig an dem Bild gearbeitet und konnten daher sehr gut auf einander eingehen. Wir arbeiten beide sehr präzise und das hat sehr gut miteinander harmoniert.

Was bewegt Sie derzeit in Ihrem künstlerischen Schaffen am meisten und würden Sie eine kleine Zukunftsprognose darüber wagen, was für neue Arbeiten wir von Ihnen erwarten dürfen?

Meine Ideen zur experimentellen Malerei wechseln täglich und das mag ich sehr, denn das regt meine Gedanken an. Durch diese experimentelle Phase habe ich das Gefühl, ich kann jede meiner Entscheidungen und meiner Sehnsüchte ganz tief ergründen. Wenn ich zu malen anfange, dann habe ich generell eine Vorstellung davon, was ich machen will und konzentriere mich darauf. Das nächste Bild kann dann wieder in eine ganz andere Richtung gehen – andere Farben, anderes Thema, andere Textur. Ich habe auch ein Paar Bilder gemacht, wo ich Farbe auf die Leinwand gekippt habe, bevor ich anfing zu malen – oder danach. Wenn man die Farbe einfach auf die Leinwand spritzt, weiß man nie, wo sie landen oder wie sie aussehen wird. Es fühlt sich toll an, auf diese Weise aus meiner Komfortzone herauszukommen, denn normalerweise male ich ja in einem realistischen Stil.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch mit Ki Yoon Ko führte Rene S. Spiegelberger im März 2014.

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