Interview mit Felix Rehfeld

Felix Rehfeld mit Rene S. Spiegelberger vor Lackkissen für Unikat VIII
Felix Rehfeld mit Rene S. Spiegelberger vor Lackkissen für Unikat VIII

Französische Feldmark aus der Vogel- oder, besser gesagt, Satelliten-Perspektive, das Matterhorn und die Alpen, Seestücke und der schöne Westerwald. Ist Felix Rehfeld ein moderner Landschaftsmaler unserer Zeit?

Es stimmt, dass Landschaften immer wieder in meiner Arbeit auftauchen. Jedoch reizt mich weniger das rein malerische Abbilden einer Landschaft. Sie ist für mich eher eine recht neutrale Spielfläche. Eine Landschaft bietet einen bekannten visuellen Eindruck, ohne dabei eine Geschichte zu erzählen. Es gibt Perspektive und Tiefenstaffelung, Höhenformationen, Licht und Stimmungen. Alles wunderbare Parameter, um hier mit der Malerei eingreifen zu können. Manchmal finde ich ein bloßes Phänomen gut und finde einen Weg zur Malerei, manchmal geht es aber auch um spezifische Landschaften, wie zum Beispiel beim Westerwald, in dem ich aufgewachsen bin. Auf jeden Fall geht es in der Malerei dann häufig um die Frage, wie weit ich mich einer Sache nähern kann, und um die Unmöglichkeit, dabei etwas zu produzieren, das dieser Sache, also Landschaft, gerecht werden kann. Diese Schwäche, also dass es immer Malerei bleibt, ist ja gerade die Stärke.

Für Ihre Unikat-Reihe der Lack-Reliefs haben Sie erstmals Holzwerkstoffe, Hobel und Schleifpapier in Ihr Atelier tragen müssen und einen Abstecher in die dritte Dimension gemacht. Wird das ein einmaliger Ausflug bleiben?

Im Atelier war es tatsächlich neu. Nicht mit Blick auf meine Biografie, denn nach meiner Schulzeit habe ich zunächst eine Berufsausbildung als Tischler gemacht. Ich hatte zwar nicht wirklich vor, hier anzuschließen, doch in der Entwicklung meiner Arbeit war es für mich ein konsequenter Weg, die Lack-Arbeiten ins Relief zu überführen. Die Idee für diese Objekt-Bilder hatte ich tatsächlich mit Blick auf die Unikat-Reihe. Ich wollte die gerade begonnene Lack-Serie in eine neue Form bringen, um bei einer Reihe dieses Ausmaßes auch für mich weiter zu kommen. Jetzt, wo ich fertig bin, weiß ich, dass es kein einmaliger Ausflug bleiben wird. Die Form gefällt mir gut, und ich arbeite weiter daran.

Im Rahmen dieses Projekts sind 52 feinmalerische Lack-Reliefs in 13 unterschiedlichen Farben entstanden. Braucht die einzelne Arbeit Raum oder funktioniert sie auch im Zusammenspiel?

Von Anfang an waren die Arbeiten als Einzelbilder gedacht. Es gibt 13 verschiedene Bilder, von denen es jeweils vier Varianten gibt. Diese 13 unterscheiden sich in ihrer Form und Farbe. Beim Anfertigen habe ich gemerkt, dass die Bilder sich sehr gut ergänzen. Alle zusammen geben ein gutes Bild ab, das habe ich bei einer Block-Hängung in meinem Atelier gemerkt. Aber auch kleine Gruppen wirken. Wenn man die Bilder zu kleineren Gruppen kombiniert, ergeben sich immer wieder ganz unterschiedliche Gesamtbilder.

Grün, Gelb, Orange, Blau und sogar Rosa sind dabei. Herausstechend empfinde ich dabei jedoch das Grau und das Schwarz. Zum Grau hat Joseph Beuys einmal gesagt: „Grau erzeugt … in der Imagination des Betrachters ein komplementäres Gegenbild, dass in sich bereits die Vorstellung des gesamten Farbspektrums enthält. Ich nehme das Grau, …um den Regenbogen im Menschen zu erzeugen.“. Fächert sich Ihr Farbspektrum hieran mit auf oder ist diese Farbwahl Zufall?

Zufall würde ich nicht sagen, sondern eher ein bewusstes Spektrum. Besonders das schwarze Bild würde ich auch herausnehmen, denn hier wird etwas deutlich, das mit dem Beuys Zitat zu tun haben könnte, wenn auch in anderer Weise. Obwohl das Schwarze eine schwarze Fläche darstellt, geschieht dies nicht in farbloser Manier. Das Schwarz des Bildes spiegelt einen Außenraum wieder, der verschiedene farbliche Eindrücke bietet. Die Bilder zeigen jeweils eine Farbe, in der sich immer derselbe Umraum spiegelt. Das passiert bei jeder Farbe auf ganz eigene Weise.

Der Werkprozess Ihrer Arbeiten ist dreistufig. Einem Handmodell folgt die fotografische Inszenierung des Selbigen. Darauf erst fußt die eigentliche malerische Arbeit am späteren Werk. Mögen Sie diese Entwicklung bitte einmal näher erläutern?

Diese Prozesse sind natürlich von Serie zu Serie verschieden. In den meisten Fällen mache ich zunächst eine Art Modell, manchmal selbst bereits Bild, das ich dann fotografisch inszeniere. Diese Fotografie wird zum Ausgangspunkt für eine weitere Malerei, die in der Regel das sichtbare Werk darstellt.

In der Unikat-Serie habe ich als Modell kleine MDF Blöcke von 30x40x10 mm angeschliffen und somit eine gewölbte Form herausgearbeitet. Diese Formen habe ich lackiert und zeitgleich fotografiert. In den noch flüssigen Lackflächen spiegelt sich der Umraum während der Aufnahme, also mein Atelier, sehr deutlich wieder. Man sieht beispielsweise Bilder, die an den Wänden hängen.

Anschließend habe ich jedes der entstandenen Bilder wiederum in die dritte Dimension überführt und ein der Form entsprechendes größeres Bild aus einer MDF Platte herausgearbeitet. Das geschah von Hand per Hobel und Schleifwerkzeug. Die so entstandenen Reliefs habe ich dann grundiert und schlussendlich mit Ölfarbe bemalt. Die Fotos, die ich von den kleinen Modellen gemacht habe, waren hierfür die Grundlage.

Felix Rehfelds Miniaturen, die als Fotovorlage für die spätere Feinmalerei-Übersetzung ins Relief dienen
Felix Rehfelds Miniaturen, die als Fotovorlage für die spätere Feinmalerei-Übersetzung ins Relief dienen

Ihr aktueller Werkkomplex der Lackbilder unterscheidet sich von denen der Farbkompositionsmalereien bereits im Modell. Hier bildet keine gestisch pastose Farbkomposition sondern ein kissenartiges koloriertes Holzmodell die Ausgangsbasis. Verändert dies auch den weiteren Schaffensprozess bis zum künstlerischen Endprodukt?

Der Prozess ist hierbei vor allem in der Modell-Phase ein anderer, aber wesentlicher ist sicher das Resultat. Denn natürlich entsteht hier ein ganz anderes Bild. Auch bei den Bildern von Ölfarbe spiele ich zum Beispiel mit der Idee, wie ich einen einzelnen monochromen Farbton malerisch umschreiben kann. Nehme ich dafür aber eine Lackfarbe auf einem glatten Untergrund, so spielt plötzlich die unterschiedliche Beschaffenheit des Farbkörpers eine sehr große Rolle. Das führt zu anderen Bildern.

Auch Ihre Landschafts- und Natursujets unterscheiden sich im Werkprozess durch eine von Ihnen durch die Fotografie im Modell ausschnittartig gewählte Betrachter-Perspektive. Die Lackbilder hingegen bilden im Modell wie im späteren Werk eine geschlossene Einheit. Zufall oder bewusst abweichende Dramaturgie?

Dieser Unterschied ist für mich sehr wichtig, und der Blick hierauf hat sich auch verändert. Der perspektivische Blick hinein in eine Landschaft kann immer nur ein Ausschnitt sein. Zwar fokussiere ich mit jedem Bild, doch die Landschaft ist stets weiter zu denken. Meine reinen Farben-Bilder waren am Anfang genau so: Ausschnitte aus Farbe, die man weiter denken kann. Das wollte ich aufbrechen und habe begonnen, die Bilder so zu konzipieren, dass die gezeigte Farbe am Bildrand einen physischen Abschluss bildet. Ich will nicht, dass dieses Bild weiter gehen könnte. Auf diese Weise fängt das Bild an, mit dem Bildträger zu korrespondieren. Das gemalte Bild wird fast schon zu einem Objekt, denn es ist eine komplett abgeschlossene Einheit.

Bei Ihren ersten Überlegungen zu dieser Unikat-Reihe formulierten Sie den Wunsch, Ihre Lackbilder von der Leinwand ins Relief zu überführen. Was reizte Sie daran und hat sich der große Aufwand gelohnt?

Das war genau der Wunsch, diesen Objektcharakter noch weiter auszureizen. Die Lackbilder sind ohnehin stark in die dritte Dimension gedacht, da wollte ich gerne in die Totale gehen. Was den Aufwand angeht, so habe ich ihn absolut unterschätzt. Ich dachte auch, dass es mir bei der Malerei helfen würde, wenn die Bilder diese Form des Reliefs haben. Das Relief umschreibt die Form schon sehr gut, und jetzt würde die Malerei etwas einfacher gehen. Tatsächlich ist die Malerei dann doch sehr feinmalerisch geworden, weil es so einfach am besten wurde. Es war wirklich viel mehr Aufwand als angenommen und ich bin froh, dass ich es gemacht habe.

Die Seitenansicht verdeutlicht den Reliefcharakter
Die Seitenansicht verdeutlicht den Reliefcharakter

Ein besonderer Charme Ihrer Arbeiten liegt in der zweifachen Sinnestäuschung, die zum einen in der reproduzierten Konstruktion vorgeblicher Wirklichkeit und zum anderen in der vermeintlichen Dreidimensionalität der Werke liegt. Konterkarieren Sie Letztere durch das Relief nicht?

Absolut. Das Relief hat eine eigene Räumlichkeit, die ich zudem mit dem Eindruck einer identischen Räumlichkeit bemale. Das kann zu einer Steigerung, aber auch zu einer Aufhebung der Illusion führen. Ich glaube, dass bei den Arbeiten beides gleichzeitig passiert. Aber ich mag diese Wiedersprüche. Bei den Landschaften ist ja auch gerade der Knackpunkt der, dass ich weder eine wirkliche Landschaft noch bloße Farbmaterie zeige. Die Dinge müssen sich ein wenig widersprechen.

Im Gegensatz zur Arbeit klassischer Fotorealisten, die eine momentbezogene, subjektive Perspektive der Wirklichkeit festhalten, erschaffen Sie über das Modell Ihre eigene Realität. Nicht jedes Ihrer Werke offenbart dem Betrachter sogleich diesen Unterschied. Nehmen Sie Anstoß an einer rein ästhetisierten Betrachtung Ihrer Arbeiten?

Nein, den nehme ich nicht. Aber ich freue mich, wenn der Betrachter wissen will, was es mit einem Bild auf sich hat, und ich ihn ein Stück weiter mitnehmen kann in meine Bildwelt. Auf der anderen Seite finde ich es aber auch gut, wenn eine Arbeit nicht unbedingt der Vermittlung bedarf, und auch eine zweite Ebene durch den Betrachter selbst erschlossen werden kann.

‚Urlandschaft’ ist eine topographische Übersetzung Ihrer Heimatregion im Westerwald, in der Sie sogar die Höhenstrukturen durch geschichtete Farbformationen maßstabgetreu übertragen haben, also Modell und eigenständiges Werk in einem. Wie haben Sie technisch hieraus weitere Arbeiten ableiten können?

Das war genauso ein wichtiger Startpunkt. Zuerst war das Urbild gar nicht als eigenständige Arbeit gedacht. Vielmehr war es ein Versuchsaufbau, bei dem ich eine echte Landschaft aus Farbe nachbaute, um sie aus verschiedenen Blickwinkeln heraus zu fotografieren und anschließend zu malen. Diesen Ausgangspunkt selbst habe ich erst später als eigenes Bild angesehen. Bei weiteren Arbeiten habe ich das dann ganz bewusst gemacht.

Durch das Wissen um die Tücken und Möglichkeiten bei diesem „vom-Bild-zu-Bild-Kommen“ habe ich dann für weitere Serien andere Möglichkeiten entwickelt und kann mit einem immer breiteren Repertoire umgehen.

‚Gelb und Pink’ aus 2011, das tatsächlich ‚ohne Titel’ heißt, ist ein Diptychon, bei dem Sie zu der Sinnestäuschung der vermeintlichen Dreidimensionalität durch Ihre Maltechnik die gegenseitige Farbspiegelung der beiden über Eck hängenden Werke ergänzen. Sind die Spiegelungen in Ihren Lackkissen der Unikat-Reihe hiermit vergleichbar?

Die Grundidee baut aufeinander auf. Bei Beiden hebe ich die Objekthaftigkeit von Bildern hervor. Bei der Eck-Arbeit gibt es die Illusion, dass die Farben eines Bildes so stark leuchten, dass sie das andere Bild beeinflussen. Das ist zwar alles illusionsmalerische Täuschung, aber es sind ja wirklich zwei starke Farben, die sich dann auch tatsächlich beeinflussen. An dem Punkt geht es dann über die gemalte Täuschung hinaus. Bei den Unikat-Bildern ist die Spiegelung wegen der glatten Oberfläche deutlicher zu erkennen. Hier spiegeln sich nicht die Nachbarbilder, sondern der Raum meines Ateliers wider, an dessen Wänden wiederum verschiedenfarbige Lack-Bilder hängen. Die kann man in manchen der Bilder mehr und in manchen weniger gut erkennen.

Sie sind Meisterschüler von Karin Kneffel, die Sie sehr schätzen. Zwangsläufig weckt Ihr Œvre aber auch Assoziationen zu den großen Malern der Farbe, angefangen bei den Expressionisten über Josef Albers zu Yves Klein und natürlich den Kissen von Gotthard Graubner, aber auch den Brushstrokes von Roy Lichtenstein oder den Farbfeldern sowie Abstraktionen von Gerhard Richter. Ist das für Sie unnötiger, historischer Ballast oder sind es relevante Fixpunkte?

Diese Künstler spielen durchaus eine Rolle, und ich sehe mich natürlich in einer malerischen Tradition. Ich stehe auch immer im Spannungsfeld zwischen realistischer Malerei und einer reinen Farben-Malerei. Das sehe ich aber nicht zwangsläufig als einen Widerspruch. Bei Karin Kneffel wundere ich mich immer, wenn sie als eine Foto- oder Hyperrealistin gehandelt wird. Für mich ist ihr Werk eine total malerische Position. Das ist viel lockerer und im wahrsten Sinne malerischer als manch einer glauben mag.

Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!

Unikat Rot Dunkel
Unikat Rot Dunkel

Schreibe einen Kommentar