Don’t miss Petittibons „Homo Americanus“

Charakteristisch für Raymond Petition ist die collagierte Hängung einzelner Themenblöcke
Charakteristisch für Raymond Petition ist die collagierte Hängung einzelner Themenblöcke

Die bislang größte Schau eines der bedeutendsten amerikanischen Künstler der Gegenwart ist in Hamburg zu sehen. Endlich einmal ein schöner Anlass frohen Mutes auf die Geschichte des Propheten im eigenen Land zu blicken. Noch bis zum 11. September zeigen die Deichtorhallen mit über 700 Werken die bislang umfassendste Einzelausstellung zum Werk des Documenta und Biennale-Teilnehmers in der Sammlung Falckenberg. Kuratiert wurde die mit „Homo Americanus“ betitelte Werkschau von dem Kunsthistoriker Dr. Ulrich Loock.

'Die perfekte Welle'. Ein Werkblock, den Petittbon ähnlich wie seine Kathedralen auch auf großformatigen Blättern und farbig ausführt. Sie zählen am Markt zu den beliebtesten Werken.
‚Die perfekte Welle‘. Ein Werkblock, den Petittbon ähnlich wie seine Kathedralen auch auf großformatigen Blättern und farbig ausführt. Sie zählen am Kunstmarkt zu seinen beliebtesten Werken.

Harald Falckenberg, der seit den 90er-Jahren die Arbeit von Raymond Pettibon sammelt, hat zudem gemeinsam mit dem Kurator eine umfassend dokumentierende Begleitpublikation zur Ausstellung herausgegeben. Zu sehen sind eine Vielzahl von Zeichnungen, dazu hunderte von Flyern, Plattenhüllen sowie Filme, Malereien und zwei Wandzeichnungen. Die Ausstellung zeigt Raymond Pettibon als Mythologen, der die prägenden Narrative der amerikanischen Kultur von Woodstock über die politischen Protagonisten bis zum Krieg gegen den Terrorismus aufgreift und unterläuft. Sein Mittel sind Zeichnungen, in denen er Bild und Text uneinheitlich miteinander verbindet. Seit Ende der 1970er Jahre dürfte der teils als manischer Zeichner charakterisierte Künstler etwa 20.000 Werke geschaffen haben. Bildschirmfoto 2016-02-28 um 17.19.39

In den 1980er Jahren sind Pettibons Themen der Verfall der Hippie-Kultur, Mord und Selbstmord in der Drogenszene sowie die Repression der etablierten Gesellschaft. Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit Familien-, Rassen- und Geschlechterbeziehungen, Religiosität und dem Krieg in Vietnam. In den frühen Zeichnungen arbeitet er mit bitteren, präzise gesetzten Pointen. Später tritt die literarische Dimension des Werkes mit Bezügen zur Dichtung des 19. Jahrhunderts in den Vordergrund, bis das Werk schließlich einen neuen Höhepunkt in großformatigen farbigen Zeichnungen findet, in denen er, desillusioniert und wütend, scharfe Kritik an der Politik von George W. Bush und dem amerikanischen Krieg im Irak übt. Dennoch negiert Pettibon ein politischer oder gesellschaftskritischer Künstler zu sein. Er beschränke sich auf Herausarbeitung und Beschreibung seiner Gegenwart. Natürlich schliesse dies auch politische und gesellschaftliche Themen ein.FullSizeRender-10

Als Pettibon deutlich verspätet zu der angesetzten Pressekonferenz erscheint, ist er sichtlich nervös. Ihm scheint der Trubel um seine Person unangenehm. Zeitgleich löst sich die Anspannung auf Seiten der zahlreichen Journalisten. Waren Sie doch aus der gesamten Republik und teils sogar aus dem Ausland angereist, um den US-Star mit ihren Fragen zu konfrontieren. Pettibon bleibt unprätentiös und erfrischend unaufgeregt. Er mag keinen Personenkult und bezieht zudem eine kritische Distanz zum Kommerz des Kunstmarkts. Obgleich seine Zeichnungen bereits bis in den sechsstelligen Bereich gehandelt werden, ist es ihm mit der nahezu vollständigen Verweigerung einer Umsetzung seiner Kunst auf Leinwand gelungen, dem Markt ein Schnippchen zu schlagen.  Seinem Rang 54 in der Weltrangliste (Kunstkompass 2015) und der Bedeutung seines Werkes angemessen wäre ein deutlich höheres Niveau, wie man es von seinen Kollegen Richard Prince oder Jeff Koons, die im deutlich siebenstelligen Bereich gehandelt werden, gewohnt ist. Nach etwas 30 Minuten beendet ein völlig zu recht hoch erfreuter Harald Falckenberg den Frontalaustausch mit den Journalisten und Raymond Pettibon lässt noch einmal den Punk raus, als er seinem Galeristen überdeutlich zu verstehen gibt, dass er erst noch in aller Ruhe antiquarische Sonic Youth oder Black Flag Plattencover signiert, bevor es an die Fertigstellung der Graphik ‚Homo Americanus‘ geht. Aber auch dabei fällt er noch einmal aus der Rolle, als er beispielsweise bei der 25/50 seine Signatur um ein ’so, die Hälfte ist schon mal geschafft‘ ergänzt.

Sorgenvoll blickten die Journalisten anfangs auf den freigebliebenen Platz Pettibons und fragten sich einmütig, ob er wohl noch kommen würde, -- ... und er kam. Spät, aber er kam.
Sorgenvoll blickten die Journalisten anfangs auf den freigebliebenen Platz Pettibons und fragten sich einmütig, ob er wohl noch kommen würde, — … und er kam. Spät, aber er kam.

Ein Kunsterlebnis, dass Sie keinesfalls verpassen sollten. Jeden ersten Sonntag ist die Ausstellung von 12 bis 17 Uhr ohne Voranmeldung zu besichtigen. Zu anderen Terminen können Besichtigungen über die Seite der Deichtorhallen gebucht werden.

Alte Sonic Youth und Black Flag Platten-Cover Originalentwürfe sowie seine Filme aus den 80ern erfreuten den Künstler und er ließ sich auch von seinem darüber wenig begeisterten Galeristen nicht die Freude am signieren der begehrten Sammlerstücke nehmen.
Alte Sonic Youth und Black Flag Platten-Cover Originalentwürfe sowie seine Filme aus den 80ern erfreuten den Künstler und er ließ sich auch von seinem darüber wenig begeisterten Galeristen nicht die Freude am signieren der begehrten Sammlerstücke nehmen.
Raymond Pettibon bei seiner Pressekonferenz in Hamburg
Raymond Pettibon bei seiner Pressekonferenz in Hamburg

 

Schreibe einen Kommentar