Sie haben an der Hochschule für bildende Kunst, HfbK, hier in Hamburg bei Andreas Slominski studiert. Welche Lehren kann ein Künstler mit einem so außergewöhnlichen Werk vermitteln und wie prägt ein so klar positionierter Lehrer die spätere Arbeit?
Slominski ist Slominski. (lacht)
Sie sind parallel zum Karrierestart als freischaffende Künstlerin mit Preisen direkt überhäuft worden. Der Karl H. Dietze-Preis für die beste Abschlussarbeit der HfBK, der Berenberg-Preis für Junge Kunst oder der Förderpreis Skulptur Ihrer Heimatstadt Oldenburg, um nur drei zu nennen. Was bedeuten diese Würdigungen für Sie?
Natürlich freue ich mich über die Anerkennung.
Mit dem Dietze Preis wurde Ihre skulpturale Arbeit ‚BANG!‘ gewürdigt. In der Begründung der Jury heißt es: ‚Sie war begeistert von der Präzision der Arbeit, der es gelingt, die Ambivalenz zwischen verführerischer skulpturaler Ästhetik und potentieller Bedrohung sinnfällig vor Augen zu führen.‘ Korrespondiert das mit dem, was für Sie den Reiz an dieser Arbeit ausmacht?
Ja. Das ist bewusst so gesetzt. Es handelt sich hierbei nicht um Objekte, die ich der Ästhetik wegen so erarbeitet habe. Es ist ein Spiel, bei dem die Wirkung im Verhältnis zur Form spielerisch eingesetzt wurde. Ohne die theoretische Option der Explosion wäre diese Arbeit für mich reizlos gewesen. Es geht um dieses Ambivalente von Ästhetik und Gefahr.
Sie haben 2002 Ihr Abitur und 2013 Ihren Abschluss als Master of Fine Arts machen können. Das lässt vermuten, dass Sie noch einen anderen Schritt vor dem Studium gemacht haben. Ab wann stand für Sie fest, dass Sie Künstlerin werden?
Darauf könnte ich zwar verschiedene Antworten geben, aber die wären alle konstruiert. Es ginge dann um bestimmte Künstlerbilder, die ich bedienen könnte, von denen ich aber meine, dass man das nicht mehr tun sollte.
Ihre Installation „AND HE TIPPED GALLONS OF BLACK IN MY FAVORITE BLUE“ setzt wie auch “NEWTON’S CRADLE“ oder „BANG!“ auf Chemie, in diesem Fall Reiniger. Chemische Substanzen sind in unserer täglichen Wahrnehmung zumeist Mittel zum Zweck. Ihre Arbeit inszeniert diese und rückt sie teils auf bedrohliche, aber stets auch ästhetische Weise in den Mittelpunkt. Was reizt Sie daran?
Es geht dabei nicht in erster Linie darum, dass es Chemie ist. Es entspricht einfach meiner künstlerischen Herangehensweise, dass ich nichts konstruiere. Ich möchte nicht „kreativ gestalten“, sondern in meiner Arbeit unterschiedliche Komponenten zusammen fügen, ob es die Chemie oder die Alchemie ist. Das sind große und für diese Arbeit auch sehr dankbare Bereiche, die ich von außen um weitere Aspekte ergänze. Deswegen würde ich mich eben nicht mit einem Klumpen Ton hinsetzen und versuchen ihn zu formen, um damit eine Geschichte zu erzählen. Wenn es schon Ton sein sollte, wäre meine Frage, wofür der Ton und das Verformen steht. Es würde dann also um die Grundlinie gehen und das Prinzip, das es ausmacht. Ich schöpfe also aus dem Vorhandenen und füge Dinge zusammen, die sich dadurch dem Betrachter in einem neuen Kontext darstellen.
Chemikalien, die Erde, Sinneswahrnehmung zwischen Optik und Akustik und natürlich, wie könnte es in der Kunst anders sein, der Mensch stellen Ankerpunkte Ihrer Auseinandersetzung dar. Gibt es so etwas wie einen roten Faden in Ihrer Arbeit?
Das kann man eigentlich immer erst später sagen. (lacht) Geben tut es den natürlich schon, aber er könnte noch einige Wendungen nehmen.
Ihre konzeptionelle Kunst kommt nicht ohne eine analytische oder beschreibende, man könnte fast sagen wissenschaftliche, Komponente aus. Woher rührt dieser Fokus?
Ich möchte mir keine Geschichten ausdenken, weil ich kein Interesse daran habe, mit meinen Arbeiten Persönliches oder Selbsterdachtes zu erzählen. Mir geht es darum, dass die Arbeiten, sobald sie als fertig definiert werden, nichts mehr mit mir zu tun haben, sondern allgemeinere Fragen thematisieren. Das ist der Ansatz, wo ich mit den Arbeiten hin will. Es geht mir nicht darum, meine Psyche auszudrücken, sondern mich vielmehr allgemeineren Fragen zu stellen, die jemand anderen genauso beschäftigen können. Deswegen ist Wissenschaft ein wichtiges Thema für mich, jedoch keinesfalls das einzige. Es kann also ein wissenschaftlicher Aspekt oder eine Herangehensweise darin stecken, ohne den Anspruch erfüllen zu wollen, analytisch präzise Ergebnisse zu liefern. Sie wird also nur als Mittler meiner Botschaft heran gezogen. Es geht ja schließlich nicht darum, wissenschaftliche Phänomene zu illustrieren. Das sehe ich nicht als meine Aufgabe.
Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, „sobald die Arbeit an einem Werk abgeschlossen ist, hat sie nichts mehr mit mir zu tun“? Interessiert es Sie nicht, wie es mit dem Werk weiter geht?
Meine fertiggestellten Arbeiten bleiben Dinge, die mich zwar weiterhin interessieren, die ich aber auch bewusst als fertig und somit abgeschlossen definiert habe. Sie müssen einer bestimmten Logik folgen. Vielleicht der Logik eines konkreten Ausstellungskontextes oder eben einer Logik aus sich selbst heraus. Für mich ist dabei nicht wichtig, ob ich die Arbeit gemacht habe oder jemand anderes. Das steht dabei nicht im Vordergrund. Im Idealfall ist es später so, dass sie eine Eigenständigkeit entwickelt. Das muss sie ja auch, ich werde ja nicht immer daneben stehen.
Ich kann nur daran arbeiten, ihnen einen möglichst präzisen Anstoß in eine bestimmte Richtung zu geben, aber dann kommen Komponenten wie der Betrachter oder der Ort dazu, die ich nur bedingt beeinflussen kann. Darin kann aber auch ein Reiz liegen.
Meine Werkzyklen sind zumeist abgeschlossen. Sie bauen nicht aufeinander auf und aus dem einen entsteht nicht das nächste. Dennoch bedarf es in der Entstehung häufig des Kontextes einer Werkgruppe wie zum Beispiel bei BANG!. Hier würde eine einzelne Arbeit ein unvollständiges Bild bieten, denn es geht ja nicht um eine bestimmte explosive Mischung, sondern um das Prinzip. Ich erschaffe sozusagen eine Realität, dies bedeutet aber nicht, dass ich die entstanden Entitäten weiterhin besitzen muss. Wo die Arbeiten danach hingehen, ist im Grunde genommen ein nächstes Kapitel, das natürlich nicht uninteressant ist, aber auch nicht gänzlich in meiner Hand liegt.
In Ihrer Multimedia-Installation „CONVERSATION PIECE“ legen drei Dirigenten ein und dasselbe Stück in einer für den Betrachter scheinbar komplett unterschiedlichen Interpretation und vor allem ohne korrespondierenden Klang aus. Sie selbst liefern durch das Summen desselben eine vierte Interpretation dazu und stellen im Titel der Arbeit einen kunsthistorischen Bezug her. Warum ist Ihnen dieser hier wichtig und wie stehen Sie allgemein zu kunsthistorischen Zitaten?
Grundsätzlich finde ich kunsthistorische Verweise interessant, denn der Künstler bewegt sich ja naturgemäß innerhalb der Kunst und kommt daran nicht vorbei. Das gilt aber genauso für Bezüge zu realen kunstfernen Themen. Der Künstler agiert nicht im luftleeren Raum und das gilt ebenso für den Betrachter, der diese Bezüge genauso herstellt. Die Frage ist lediglich, ob der Künstler sie bewusst oder unbewusst gesetzt hat. So oder so kann er aber nicht diesem Kreislauf entfliehen. Das bedeutet ja nicht, dass sie in den Vordergrund gerückt werden müssen. Bei der Arbeit CONVERSATION PIECE ist es für mich auch nur ein kleiner Hinweis mit dem Charakter eines allgemeinen Verweises, der lediglich etwas aufgreift, ohne damit eine individuellen Deutung zu verhindern. Es handelt sich ja hierbei um einen kunsthistorischen Gattungsbegriff, der aus der Malerei stammt. Es ist also weit genug weg und nicht etwas eine Hommage an jemand konkreten. Er lässt eine eigene Interpretation zu. Mir gefallen Titel, die nicht genau das offensichtliche benennen, sondern mehr eine Idee stiften oder einen Anhaltspunkt bieten.
Der häufigste Titelname für Kunstwerke seit der Moderne lautet ‚ohne Titel‘. Ihre Titel haben einen narrativen Charakter und sind Werkbestandteil oder wie bei „WHO’S AFRAID OF…“ (red, blue and yellow) vielleicht sogar der Schlüssel für den Betrachter. Kommen die Titel zum Werk oder umgekehrt?
Der Titel folgt zumeist dem Werk. Mir sind sie wichtig. ‚ohne Titel‘ ist ja auch ein Titel. Dieser liegt in der Verweigerung, oder aufgrund der benannten vielfachen Verwendung kann es natürlich auch einen Verweis einer Verweigerung auf die Verweigerung bedeuten. (lacht) Man kommt also ohnehin nicht darum herum, dass es irgendeinen Namen gibt. Meist gibt es ja sogar zwei. Zum einen den gesetzten und zum anderen den aus dem Volksmund. Darin liegt doch auch der Ausdruck einer gewissen Haltung des Künstlers gegenüber seinem Werk.
Oder der Titel hat wie im Falle von BANG! eine Aufgabe. In Ihm steckt das auf den ersten Blick nicht erkennbare und er deutet damit auf die Essenz der Arbeit.
Man kann natürlich auch genau umgekehrt damit umgehen und mit dem Titel auf etwas verweisen, was nicht direkt in ihr steckt und öffnet sie somit in eine bestimmte Richtung. Es stecken also sehr viele Möglichkeiten darin.
Bei „WHO’S AFRAID OF…“ ist es ja eher die zweite Variante. Diese Barnett Newman Assoziation hätte ein Betrachter ohne den Titel wahrscheinlich eher nicht und somit wird hier ein zusätzlicher Raum geöffnet.
Er bildet einen Kontrast. In der Zeit, aus der dieser Titel ursprünglich stammt, hat man diese Vermischungen genau so ja gerade nicht eingesetzt. Bei dieser Arbeit wird der Zuschauer also aus einer bestimmten Betrachtungsperspektive herausgelenkt. WHO’S AFRAID OF… gibt dem Werk einen Unterton, der Anlass zu allgemeinen Gedanken der Malerei gibt.
Ihr Werk scheint an der einen oder anderen Stelle nicht völlig frei von einem teils subtilen Humor zu sein. Mindestens ein kleines Augenzwinkern aber ließe sich wohl kaum absprechen. Ein Charakterzug von Katja Aufleger, der automatisch mit einfließt, oder ein bewusst gesetztes künstlerisches Gestaltungsmittel?
Also dann möchte ich erstmal noch für alle vorher gestellten Fragen ‚bewusst gesetztes künstlerisches Gestaltungselement‘ voran stellen. (lacht) Aber in der Tat ist es schon ein klar eingesetztes, stilistisches Mittel, das ich vorsätzlich verwende.
Als ich Sie um dieses Gespräch bat, sagten Sie mir, Sie hätten noch keine finale Positionierung für sich definiert, wie Sie sich zu Interview-Anfragen stellen. Eine wäre ja auch die von Imi Knoebel, der angeblich keine gäbe. Dennoch gibt es gerade anlässlich seiner Retrospektive in Wolfsburg wieder ein sehr spannendes mit ihm.
Das stimmt auf jeden Fall sehr gut mit meiner Grundhaltung hierzu überein. Deswegen habe ich darüber auch so kritisch nachgedacht. Grundsätzlich sollte das Werk für sich stehen.
Vielen Dank für das Gespräch
Das Gespräch mit Katja Aufleger führte Rene S. Spiegelberger am 18. Oktober 2014 im Hamburger Atelier der Künstlerin